Ein Holthauser Pachtbrief aus dem Jahr 1595

Wenngleich die Grafschaft Hohenlimburg 1243 ins Leben trat und dadurch gewisse Grenzen entstanden, die nach und nach immer festere Formen annahmen, so entwickelte sich das Wirtschaftsleben unbekümmert um diese Grenzen in den alten Bahnen weiter. Eines der wichtigsten mittelalterlichen Verhältnisse war die so genannte Hofesherrschaft. Abgesehen von einigen um Lüdenscheid liegenden Orten mit ihren unabhängigen Freigütern, waren die Bauernhöfe unserer Heimat alle mehr oder weniger von einem Hofesherren abhängig. Solche waren Adelige, Klöster, Kirchen usw. In der Grafschaft Hohenlimburg war das Haus Letmathe für sehr viele Höfe zuständig. Seine Besitzungen gingen aber auch über die Grenzen hinaus. So finden wir denn in Holthausen einen großen Hof, der bis zur Ablösung im Jahre 1812 zu dem Herren von Brabeck in Abhängigkeit stand. Es war der Huster-Hof, der heute im Besitz der Familie Ostheide ist. Ein Pachtbrief aus dem Jahre 1595 gibt die Einzelheiten dieses Abhängigkeitsverhältnisses. Es sind in ihm auch einige Bestimmungen enthalten, die in vielen anderen Urkunden ähnlicher Art nicht vorkommen. Er stellt im Wesentlichen eine Verschlechterung der Bedingungen fest. Das wird erklärlich durch die Zeitverhältnisse, in denen das ursprüngliche Lehnsverhältnis schon so verdunkelt war, daß die Bauern nicht mehr in der Lage waren, sich gegen die Adelsansprüche zu wehren. Durch die Einführung des Römischen Rechts in Deutschland, das kein Lehnsverhältnis, dafür aber Leibeigene und Sklaven kannte, wandelte sich das Verhältnis so sehr zugunsten des Hofesherren, daß eine immer stärker werdende Verschlechterung des bäuerlichen Lebens eintreten mußte. Der Reichtum der mittelalterlichen westfälischen Bauern wurde immer geringer, um schließlich im Dreißigjährigen Kriege ganz dahin zu schwinden. Der nachfolgend wörtlich wiedergegebene Pacht-, oder besser gesagt, Gewinnbrief, fällt in eine Zeit, wo sich die angedeutete Entwicklung bereits ganz klar abzeichnet.

„Wyr Johan von Brabeck und Anna von Rüspe, Eheleute tho Lethmate, thuen kundt und bekennen für unß und unsere Erben in und overmitz. dieser außeinander gesnetten Nottelen, das wir den bescheiden und frommen Johan, Hinrigh Bertoldes Shon tho Halden und Annen, wielandt Jasper Husseren nachgelassenen Dochter tho Holthusen verthaen oder verpechtet haben und in krafft dieses hiemit verthuen und verpechten unseren alingen hoiff funffzehn Jhairlanck a dato nacheinander folgende, wie derselbe tho Holthusen gelegen und von furge Jasper saligh und Gerdrudt eheleuten biß anhero besessen und geprauchet worden, mit alle siener thobehorungh und gerechtigheit in holte, in feldie, intorwe, in zweige, in water und weide (doch uns obbenenten eheleute und unseren mitbeschrebenendrey hove in zeit der mast wie von alders her zu bedriven hiemit furbehalten) und sonsten nichtes darvon außbescheden, also das furge Eheleute den hoff mit seiner thobehorungh sollen und mögen tho Schultrechte gebruiken, unß baer und unseren Erben j airliches auff Sant Mertin darvon thor rechten Schult und Jhairpacht geben und betalen zwey Malter roggen, zwey mltr gersten, vier mltr haberen, ales Hegesche mathe und guit mareket-geve körn, zwey Schultswein, vier honer, einen halben thlr., zwey Pfund flasses und zwey dage deinst mit den pferden, und sollen demnegst dat Huiß in guden gebaweundi dacke, hoff und garden in guiden tune halden, kein holt mehr als tho Ihrer notturfft hauwen und gebrauchen. So averst furge Eheleute dieser puncten ein oder ihrer mehr nicht halden, oder och in der betzalungh der jairlichen pacht wie obstehet, nachlessigh sein wurden, also d!as eine die ander roren dede, sollen sie sich Ihres gewinns dardurgh entsett haben. Sunsten wollen wir Johan von Brabeck und Anna von Rüspe furge die durchgemelten eheleute bey dem gewin der 15 Jhairlanck unbesperret behalten, allet sunder argelist und geferde. In urkundt der warheit sein dieser Nottelen zwey geligh ludendt mit einer handt geschreben und durgh das wort Veritas. auß einander. gesnetten, davon ein jeder part, sich darnagh wissen tho richten ein entfangen. Gegeben den dritten tagh monatz Februarii Anno d. negenzigh und vunff.“

Bei unserer Kenntnis vieler solcher Pacht- oder Gewinnbriefe will es uns nicht recht einleuchten, daß der Hofesherr „von alters her“ das Recht gehabt haben soll, dem Bauern das Mastrecht abzunehmen und selbst zu betreiben. Das Recht in den Marken ruhte nicht auf den Ländereien, sondern auf dem Hofe, der den Bauern zu eigen gehörte, wie ja auch die Gebäude sein unbeschränktes Eigentum waren. Das Markenrecht wurde durch die ursprüngliche Lehnsoberhoheit eines Hofesherrn nicht berührt. Wenn in diesem Brief dieses vom Hofesherren vorbehalten wird, kann es sich nur um eine neuere Zulegung handeln, die mit der alten Formel nur sanktioniert und als ewig bestanden hingestellt werden soll. Auch die Festsetzung der Abgaben in feste Sätze ist jüngeren Datums. Vordem hat bestimmt auch die Abgabe der dritten Garbe bestanden. Dieser Gewinnbrief gehört zu allen denen, die interessanter sind durch das, was sie verschweigen oder als alt sanktionieren wollen, als durch das, was sie bestimmt und positiv ausdrücken.

Quelle: Hohenlimburger Heimatblätter für den Raum Hagen und Iserlohn, Monatsschrift des Vereins für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V., Ausgabe Nr. 3/1954, S. 143 f

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